Eine Wahlreform ist mit der bloßen Änderung der entsprechenden Wahlgesetze nicht getan. Folgende zusätzliche Aspekte müssen berücksichtigt werden:

Parteienfinazierung

Parteien haben nach Parteigesetz gegenwärtig einen Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung, sofern sie mind. 0,5% der Stimmen bei einer Bundestagswahl oder Europawahl erlangt haben bzw. mind. 1% der Stimmen bei einer Landtagswahl.

Im System der Ersatzstimme bietet es sich an, die Regel beizubehalten, nur mit Bezug auf die Hauptstimme. D.h. eine Partei hätte Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung, wenn sie mind. 0,5% der Hauptstimmen bei einer Bundestagswahl oder Europawahl erlangt hat bzw. mind. 1% der Hauptstimmen bei einer Landtagswahl. Die Verteilung der Ersatzstimmen würde in dem Fall keine Rolle spielen.

Der Vorteil dieser Implementierung ist, dass die Hauptstimmen die Erstpräferenzen der Wähler unverfälscht widergeben und sich so besonders gut als Maß für die Beliebtheit eignen - besser als die von taktischen Überlegungen verzerrten Stimmabgaben bisher.

Umgewöhnung der Wähler

Die Ersatzstimme ist ein neuartiges Wahlsystem, unbekannt für die deutsche Bevölkerung. Deshalb sollte die Wahlreform von einer großflächigen Aufklärungskampagne begleitet werden. Hierzu können beispielhaft für die ersten zwei Wahlzyklen nach der Reform entsprechende Hinweise und Anleitungen in die Wahlbenachrichtigungen integriert, öffentlich über die Medien verbreitet und in den Wahllokalen via Aushang und Handout vermittelt werden.

Online könnte per interaktiver Webseite der neue Wahlzettel zum Test-Ausfüllen zur Verfügung gestellt werden.

Stimmenauszählung

Jede abgegebene Ersatzstimme erhöht den Auszählungsaufwand im Vergleich zum bisherigen System. Es gibt jedoch Stimmenauszählverfahren wie das folgende, mit denen der zeitliche Zusatzaufwand gering gehalten werden kann.

  1. Auswertung der Listenstimmen (ehem. Zweitstimme)
    1. Sortiere alle Stimmzettel nach auftretender Kombination aus Haupt- und Ersatzstimme, erhalte so einheitliche Stapel
    2. Zähle für jeden Stapel (also jede vorkommende Haupt- und Ersatzstimmenkombination) die Stimmzettel und trage die Häufigkeit dieser Kombination im Ergebniszettel ein (tabellieren)
  2. Anschließend Auswertung der Wahlkreisstimmen (ehem. Erststimme)
    1. Sammle alle Stimmzettel aus dem vorherigen Schritt wieder ein
    2. Verfahre dann analog wie bei den Listenstimmen Zwar werden es durch dieses Verfahren mehr auszuzählende Stapel, jedoch bleibt die Zahl der Stimmzettel dieselbe, wodurch sich der Sortieraufwand überschaubar erhöht und der Zählaufwand in etwa derselbe bleibt. Bei der Mitteilung der Zahlen an die übergeordnete Wahlleitung sind mehr Zahlen zu nennen. Hier bietet es sich an, das noch sehr geläufige Telefonat durch die Eingabe in eine gesicherte Online-Wahlsoftware zu ersetzen.

Zu erwarten ist, dass sich die Auszähldauer bis zur Verkündung des vorläufigen Endergebnisses nur geringfügig erhöhen wird, zumal die Verteilung der Sitze an die Parteien bereits nach der Auswertung der Listenstimmen feststeht, wohingegen die Auswertung der Wahlkreisstimmen nur die Sitze den Mandaten zuordnet.

Da im obigen Auszählungsverfahren bereits sämtliche abgegebene Stimmen ausgezählt werden, kann die Aggregation der ausgewerteten Haupt- und Ersatzstimmen in die Sitzverteilung vollständig automatisiert erfolgen. Erneute Auszählungen aufgrund von Eliminierungen sind daher unnötig.

Legitimierung der Wahlreform

Grundsätzlich ist es denkbar, eine Wahlreform als Referendum der Bevölkerung zur Wahl zu stellen. Dies beseitigt insbesondere das Problem der möglichen Benachteiligungsabsicht.

Wissenschaftliche Begleitung

Da das System der Ersatzstimme im deutschsprachigen Raum neu ist, bietet es sich an, seine Effekte genau zu untersuchen. Mit wissenschaftlichen Studien kann die Akzeptanz des neuen Systems geprüft werden, ebenso das Verständnis der Regeln sowie das Wahlverhalten.