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Sowohl für als auch gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung einer Ersatzstimme sprechen gewichtige Argumente. Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung bleibt die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Ersatzstimme offen. Ggf. wären Verfassungsänderungen (im Saarland) notwendig, um die Einführung der Ersatzstimme zu ermöglichen.

Hauptargumente für die Verfassungsmäßigkeit der Ersatzstimme:

  1. Unmittelbarkeit der Wahl:
    • Die Einführung der Ersatzstimme führt nicht dazu, dass eine Instanz zwischen Wähler und Abgeordnete geschaltet wird, die die Entscheidung beeinflusst.
    • Sowohl Haupt- als auch Hilfsstimme werden direkt vom Wähler abgegeben, und keine andere Instanz nimmt eine Entscheidung vor.
    • Die Ersatzstimme ermöglicht es, erfolglose Stimmen erneut zu werten, was die direkte Legitimation der Abgeordneten unterstützt.
  2. Gleichheit der Wahl:
    • Jede Stimme behält formal den gleichen Zähl- und Erfolgswert, da alle Wähler die Möglichkeit haben, eine Ersatzstimme abzugeben.
    • Die Ersatzstimme fördert die Erfolgswertgleichheit, da sie verhindert, dass Stimmen verloren gehen, wenn eine Partei die Sperrklausel nicht überschreitet.
  3. Chancengleichheit der Parteien:
    • Alle Parteien werden gleich behandelt, da jeder Wähler frei entscheiden kann, welcher Partei er eine Ersatzstimme gibt.
    • Die Ersatzstimme fördert die Chancengleichheit, indem sie kleineren Parteien hilft, die Sperrklausel zu überwinden und so die Vielfalt im Parlament zu erhöhen.

Hauptargumente gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ersatzstimme:

  1. Unmittelbarkeit der Wahl:
    • Einige Stimmen argumentieren, dass der Wähler sich vorbehaltlos und bedingungsfrei entscheiden muss, was durch die Ersatzstimme nicht gegeben sei.
    • Das taktische Wählerverhalten bei der Abgabe von Haupt- und Hilfsstimme könnte den Grundsatz der Unmittelbarkeit und das Demokratieprinzip beeinträchtigen.
  2. Gleichheit der Wahl:
    • Ein Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl könnte vorliegen, da die Zählwerte der Stimmen unterschiedlich behandelt werden könnten.
    • Ein Wähler, dessen Zweitstimme erst durch die Hilfsstimme relevant wird, hat faktisch zwei Stimmen abgegeben, was die Stimmkraft ungleich machen könnte.
  3. Chancengleichheit der Parteien:
    • Es wird argumentiert, dass die Ersatzstimme einen ungerechten Vorteil für bestimmte Parteien schaffen könnte, insbesondere für diejenigen, die nahe an der Sperrklausel sind.