Pressemitteilung

Im Kern befand das BVerfG, dass die 5%-Sperrklausel in ihrer reinen Form (also ohne Grundmandatsklausel) zu stark in die Wahlgleichheit eingreifen würde, weil auch Parteien ausgeschlossen würde, die (wie die CSU) nicht zur Fragmentierung des Parlaments beitragen.

  • “Die 5 %-Sperrklausel […] verstößt aber derzeit gegen Art. 21 Abs. 1 [Mitwirkung der Parteien an politischer Willensbildung] und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG [Gleichheit der Wahl].”
  • “Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet dabei, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können.”
  • “Die 5 %-Sperrklausel ist unter den geltenden rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen nicht in vollem Umfang erforderlich, um die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages zu sichern.”
  • “Die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien unterliegen keinem absoluten Differenzierungsverbot. Dem Gesetzgeber verbleibt bei der Ordnung des Wahlrechts ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen.”
  • Der Gesetzgeber kann Neuerungen einführen, die dem bisherigen Wahlrecht fremd waren und Wählerinnen und Wählern ebenso wie Bewerbern und Parteien ein Umdenken abverlangen. Sein Entschluss, das Wahlrecht zu reformieren, ist nicht an besondere Voraussetzungen gebunden.
  • “Für Sperrklauseln im Verhältniswahlrecht kann die Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments einen legitimen Rechtfertigungsgrund darstellen. Maßgeblich für die Beurteilung einer Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag sind die ihm in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes zugewiesenen zentralen Funktionen.”
  • “Die Sperrklausel ist geeignet, die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu sichern. Mit einer Sperrklausel verhindert das Wahlrecht eine Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen und sichert damit die Funktions- und Arbeitsbedingungen des Bundestages. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass Zusammenschlüsse von Abgeordneten mit gleichgerichteten politischen Zielen im Bundestag (Fraktionen) grundsätzlich eine bestimmte Mindestgröße haben. Die Höhe der Sperrklausel von 5 % der bundesweiten gültigen Zweitstimmen ist für diesen Zweck sachgerecht. Die in ständiger Rechtsprechung bestätigte Beurteilung hat auch angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen rechtlichen und tatsächlichen Änderungen Bestand.”
  • “Unter den gegenwärtigen tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist die Ausgestaltung der Sperrklausel in § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BWahlG jedoch nicht in vollem Umfang erforderlich. Zur Sicherstellung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages ist es nicht notwendig, eine Partei bei der Sitzverteilung unberücksichtigt zu lassen, deren Abgeordnete eine gemeinsame Fraktion mit den Abgeordneten einer anderen Partei bilden würden, wenn beide Parteien gemeinsam das Fünf-Prozent-Quorum erreichen würden.”
  • Das Ziel der Sperrklausel wird in gleicher Weise erreicht, wenn die Zweitstimmenergebnisse von Parteien, die [wie CDU und CSU] kooperieren, gemeinsam berücksichtigt werden. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind gerechtfertigt.
    • “Die Kooperation der CSU mit der CDU zeichnet sich letztlich durch drei Elemente aus: erstens die Absicht, aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele eine Fraktion zu bilden, zweitens den Umstand, dass schon bisher eben eine solche gemeinsame Fraktion im Bundestag bestand, und drittens den Verzicht auf Wettbewerb untereinander, indem Landeslisten nur in unterschiedlichen Ländern eingereicht werden.”
    • “Es kann offen bleiben, inwieweit die gemeinsame Berücksichtigung von Parteien bei der Überwindung der Sperrklausel gerechtfertigt ist, wenn lediglich einzelne der drei Voraussetzungen vorliegen. Jedenfalls gemeinsam rechtfertigen sie unter den gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen die Bevorzugung einer Kooperation, wie sie CSU und CDU praktizieren.”
  • “Der Gesetzgeber ist zwar verpflichtet, die Sperrklausel so auszugestalten, dass sie unter den derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen nicht über das zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages Erforderliche hinausgeht. Er ist aber nicht auf die Einführung einer Möglichkeit der gemeinsamen Berücksichtigung zweier, in der dargestellten Form kooperierender Parteien beschränkt. Vielmehr kann er die Sperrklausel auch in anderer Weise modifizieren.”